
„Die Kunst ist wieder frei“
Die Grabstelle des Bildhauers Ludwig Vierthaler erhielt zu seinem 150. Geburtstag, am 16. Januar 2025 endlich ein Grabdenkmal. Ludwig Vierthaler zählt zu den bedeutendsten hannoverschen Künstlern des 20. Jahrhunderts. Seine Werke prägen bis heute das Stadtbild Hannovers. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem das Bundesverdienstkreuz, die Ehrenmitgliedschaft des Hannoverschen Künstlervereins und die Stadtplakette Hannover. Nach seinem Tod 1967 wurde er auf dem Stadtfriedhof Engesohde in Hannover bestattet, seine Grabstelle erhielt jedoch nie ein Grabdenkmal.
Der Bund Bildender Künsterinnen und Künstler für Niedersachsen e.V. (BBK) und die Landeshauptstadt Hannover haben sich dafür eingesetzt, dass nun eine Sichtbarmachung des Gründervaters des BBK möglich geworden ist. Der Rat der Stadt hat 2021 die Grabstelle Vierthaler als „bedeutende Grabstätte“ zum dauerhaften Erhalt anerkannt und die Städtischen Friedhöfe übernehmen die Grabpflege. Die Realisierung des Projekts wurde durch die großzügige Finanzierung der Stiftung Falkenreck ermöglicht. Die Stiftung dient unter anderem der Förderung zur Erhaltung und Wiederherstellung von Denkmälern, insbesondere gibt sie den Projekten und Objekten den Vorzug, denen bisher nicht die nötige Aufmerksamkeit zuteil geworden ist und die daher der Unterstützung bedürfen.
Die Suche nach einem geeigneten Werk für das Grabdenkmal von Ludwig Vierthaler gestaltete sich langwieriger als gedacht. Als 2021 bei Sanierungsmaßnahmen eines Hauses in der Dürerstraße
einige Putten von Vierthaler gesichert werden konnten, die aufgrund einer Fassadendämmung entfernt werden mussten, waren die geeigneten Werke von ihm gefunden. Die Auswahl fiel auf eine Figur mit einer Kürbisfrucht, die in Vanitasdarstellungen als Symbol für die Vergänglichkeit allen Lebens gebräuchlich ist. Das Original der Putte, ein ursprünglich rotbrauner Betonguss, war aufgrund von Schäden nicht mehr für den dauerhaften Erhalt als Grabmal geeignet. So entstand die Idee einer exakten Kopie als Bekrönung einer Stele für sein Grabdenkmal aus rotem Wesersandstein, der der ursprünglichen Farbe der Putte entspricht. Die Grabstele wird den Namen und die Lebensdaten Vierthalers und seiner Ehefrau Annaliese erhalten und ein prägnantes Zitat von ihm anlässlich der Gründung des Bund Bildender Künstler Nordwest-Deutschland 1945: „Die Kunst ist wieder frei“. Die Idee und die Umsetzung dieser Arbeit erfolgt durch den Steinbildhauermeister Uwe Spiekermann aus Langenhagen. Die Rekonstruktion der Putte erfolgte durch Laurina von Hohenthal im Rahmen ihrer Gesellinnenprüfung zur Steinbildhauerin.
Im Ausschnitt der Rede von BBK-Vorstandsvorsitzender Dagmar Schmidt wird deutlich, wie hochaktuell Ludwig Vierthaler bis heute ist: „In der denkwürdigen Gründungsversammlung des Bundes Bildender Künstler Nord-Westdeutschlands – zu der im kalten November 1945 statt den erwarteten 30-50 Teilnehmenden 500 Künstler in die Stadthalle Hannover kamen – schöpften viele Kunstschaffende wieder Mut. Doch lassen wir Prof. Vierthaler selbst mit einem Zitat aus seiner Eröffnungsrede zu Wort kommen: „Seien wir uns bewusst, dass die Kunst wieder frei ist, frei von jeder Bevormundung, dass sie nicht mehr, wie in der Vergangenheit für politische Zwecke missbraucht wird.
„Die Kunst ist wieder frei!“ – Im Nachkriegsdeutschland, nach 12 Jahren der totalen Einengung und Begrenzung, der einschüchternden Bevormundung darf nun nicht nur Vierthaler diesen Satz endlich wieder äußern. Dieser Grundsatz wird fortan durch das Grundgesetz seine mächtige Wirkung entfalten. Die Kunstfreiheit ist in Art. 5 Absatz 3 Satz 1 verankert. Die Freiheit der Kunst ist besonders geschützt. Kunst darf und muss „funktionsfrei“ sein, d.h. auch, dass sie nicht politisch in dienst genommen werden darf: nicht von Staaten, Parteien oder von anderen Gruppierungen, nicht von Einzelpersonen, nicht von Influencern. Kunst ist kritisch und widerständig, sie muss nichts müssen, sie kann (fast) alles. Sie ist frei. Das macht Kunst gefährlich für die, die auf Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit pfeifen, weil sie alles tun, um es ihrer Meinungsmache zu fügen. Wie heftig ist die Freiheit gerade wieder bedroht! Algorithmen verstärken Fake-News, Faktenchecks werden abgeschafft, Diskussionen werden nicht lösungsorientiert, sondern um zu polarisieren geführt. Von vielen Seiten gibt es Angriffe und Versuche, die Kunstfreiheit einzuhegen. Theaterstücke werden nicht aufgeführt, Ausstellungen nicht eröffnet oder bald wieder geschlossen. Und warum? Die bedrängte Kunst erscheint thematisch nicht passend, von der Erzählung her nicht konform oder nicht Mainstream genug.
Mit Vierthalers Worten: „Es soll nicht wieder vorkommen, dass anerkannten Künstlern das Arbeiten verboten wird, weil die Richtung nicht passt, oder dass diese Künstler verfolgt werden (…)“