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Zu TTIP und den möglichen Auswirkungen auf Kultur und Kunst, Dagmar Schmidt, Vorsitzende BBK Niedersachsen

Zu TTIP und den möglichen Auswirkungen auf Kultur und Kunst. Redebeitrag (Kurzfassung) anlässlich der TTIP-Demonstration des Aktionsbündnisses Hannover am Kröpcke am 19.9.2015, Dagmar Schmidt, Vorsitzende BBK Niedersachsen

Was interessieren sich die Künstler für multinationale bzw. bilaterale Handelsabkommen? Das allgemein vorherrschende Bild vom Künstler ist das vom still und selbstvergessen im Atelier schaffenden Maler, ein Leben im geschützten Elfenbeinturm mit glänzenden Schlaglichtern bei wenigen öffentlichen Auftritten. Und sowieso können Künstler kaum von ihrer Kunst leben. Was also bedeuten schon Handelsabkommen für die Kunst? (…)

Wir sind uns darüber einig, dass künstlerische Aktivitäten, Produkte und Dienstleistungen eine kulturelle Natur haben. Als solche sind sie Träger von Identitäten, Werten und Sinn, ebenso wie es die UNESCO-Konvention zum Schutz und zum Erhalt der kulturellen Vielfalt formuliert. Kunst gestaltet die Gegenwart. Sie transponiert die Vergangenheit in die Zukunft. Sie spiegelt und bildet Zeitgeschichte. (…)

Neben der kulturellen Natur haben Kunst und Kultur auch eine wirtschaftliche Seite. Um im Beispiel der Bildenden Kunst zu bleiben: Die Tätigkeitsfelder der Künstler/innen finden sich in der Bildung, im Bauen, in der Stadtgestaltung. Künstler/innen begleiten und leiten kunstpädagogische Projekte und begleiten soziokulturelle Prozesse. Sie schaffen unikate und multiple, permanente und temporäre Werke. Der Kunstmarkt mit den Produkten der Bildenden Kunst ist international. (…)

Hier zeigt die Kunst ihre wirtschaftliche Natur. In Deutschland wurde dafür der Begriff der Kultur- und Kreativwirtschaft geschaffen. Und die hat es in sich: nach den Angaben im Forschungsgutachten der Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung von 2009, hat die Branche einen Anteil am BIP von 2,6%. Das ist mehr, als beispielsweise die chemische Industrie erwirtschaftet.[1] (…) Die Mitgliedsstaaten der EU und die EU als Staatengemeinschaft haben die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt[2] ratifiziert. Darin ist der Doppelcharakter von Kultur – als Kulturgut und als Ware – sowie das Recht auf nationale Kulturpolitiken festgelegt. Die USA hat bis heute dieses Übereinkommen nicht ratifiziert. Die EU muss diese Konvention in die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen einbeziehen, solange hier Kultur verhandelt wird, die USA nicht. Eine ungleiche Ausgangslage für die Verhandlungen. Während auf der einen Seite des Atlantik die Kulturfinanzierung eine öffentliche Aufgabe und Verantwortung und überwiegend öffentlich finanziert ist, ist sie es auf der anderen Seite des verbindenden Ozeans nicht. Bezieht die EU die UNESCO-Konvention Kulturelle Vielfalt nicht in die Verhandlungen ein, könnten die Vertreter der Marktliberalisierung durch die europäische Kulturförderung eine Wettbewerbsverzerrung reklamieren. Somit stünden alle öffentlich finanzierten Einrichtungen im Kultur- und Bildungsbereich ebenso wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einer Freihandelszone vor dem Aus.

Freihandel kann, wenn er den gesellschaftlichen und damit auch den kulturellen Zuständen Rechnung trägt, mehr Chancen auf wirtschaftliche Entwicklung bieten, als Risiken bergen. Doch diese Aussicht erscheint für die Kultur vor diesem Hintergrund unwahrscheinlich. Deshalb fordern wir transparente Verhandlungen! Die Zivilgesellschaft muss über die Inhalte und den Verlauf der Verhandlungen informiert und an ihnen beteiligt werden, z.B. durch Anhörungen. Kultur ist nicht verhandelbar. Film, Video, Malerei, Grafik, Skulptur, Konzeptkunst, Textwerke, Musik – kurz: audiovisuelle Medien dürfen kein Verhandlungsgegenstand sein. TTIP darf nicht zum Kulturkiller werden!

[1] Forschungsgutachten Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung 2009, S. 13

[2] UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, 20.10.2005

Am 10.10.2015 findet eine große Demonstration gegen TTIP in Berlin geplant: http://ttip-demo.de

Der Redebeitrag in voller Länge kann als pdf bei der Geschäftsstelle (info@bbk-niedersachsen.org) bestellt werden.

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